T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

Mein Foto
Name:

Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Donnerstag, Juni 25, 2009

Laute Wörter, Sätze 12/103


Mein Leben mit ALDI oder Die prästabilierte Harmonie

Mein neuer Arbeitsort ist eine Lagerhalle, die ALDI der Schweizer Post zur Verfügung stellt. ALDI selber befindet sich gleich darüber, und dort gibt es den Goiserer Almkäse zu kaufen. Der Hubert von Goisern spielt eine Steirische. Wen wundert's, dass meine Monika neuerdings so helle, jubelnde Töne von sich gibt?

Habe nun lange gesucht und gegrübelt, in den Tiefen des weltweiten Netzes, umgetrieben von der Frage, was in Europa die Mehrstimmigkeit ins Leben rief und beförderte. Nun sitz ich da, ich glücklicher Tor, klüger bald als je zuvor. - Ansätze zu Mehrstimmigkeit sind schon da, wenn die zweijährige Lena Sophia, mit der ich vorgestern eine geschlage Stunde lang musizierte, mit einem Teelöffel über ihr neues Metallophon streicht. Und wenn man nun mal die wenig steile Voraussetzung macht, dass auch Musiker anderer Kulturen gelegentlich darauf geachtet haben, was ihre Instrumente, wenn sie nicht höllisch aufpassten, so alles von sich gaben, stösst man auf ein Welträtsel erster Güte: Warum ist gerade in Europa eine mehrstimmige Musik entstanden? "Na ja, sprechen wir zunächst mal von Mehrtönigkeit ... Es ist anzunehmen, dass die sogenannten Kirchentonarten von keinem rein diatonischen Tonvorrat abgeleitet sind ..." - "Mann, das muss die Sache doch enorm erschwert haben, oder?" - "Sicher ... Eine ganz entscheidende Rolle dürfte die Notation gespielt haben ..." Hey, ich habe da einen Gesprächspartner gefunden, der das Welträtsel mit enormem Kenntnisreichtum anpackt. Den hat der gelernte Nationalökonom niedergeschrieben in einem Buch, das erst 1921, also ein Jahr nach seinem Tod, erschien: Die rationalen und soziologischen Grundlagen der Musik. - Liebe Freunde, ich möchte euch Max Weber vorstellen!

Nein, ich verachte nicht den einstimmigen Gesang. Ich war ganz angetan von der kleinen rumänischen Weise (unbegleitete Frauenstimme; Ambitus: eine blosse reine Quarte[!]), die im ARD-Spielfilm von gestern abend zwischendurch erklang. Ich erinnere mich noch lebhaft an die Darbietung einer Sängerin aus Zentralasien im Konzertsaal des Radiostudios an der Schwarztorstrasse. Ich wittere auch keine dunkle Verschwörung und bin überhaupt nicht empört, wenn einer Dinge wie dieses verlauten lässt: "Ganz allgemein bitte ich darum, daß die zukünftigen Priester von der Seminarzeit an darauf vorbereitet werden, die heilige Messe in Latein zu verstehen und zu zelebrieren sowie lateinische Texte zu nutzen und den gregorianischen Choral zu verwenden. Man sollte nicht die Möglichkeit außer Acht lassen, daß auch die Gläubigen angeleitet werden, die allgemeinsten Gebete in Latein zu kennen und gewisse Teile der Liturgie im gregorianischen Stil zu singen." (2007) - Ne, Papstkritik gehört nicht zu meinen Hobbies. Liebe Freunde, ich möchte euch einen grossen Hoffnungsträger vorstellen: Papst Benedikt XVI!

Wie heisst doch noch der Mann, der seine Landsleute dazu aufgefordert hat, nach Möglichkeiten zu suchen, die europäische Mehrstimmigkeit in die türkische Musikkultur einzuführen? Aber klar doch! Den Musikologen Atatürk brauche ich euch nicht vorzustellen.


Mein Leben ohne ALDI: Ach, es ist ganz erträglich. Der Goiserer Almkäse ist noch nicht zur Gänze vertilgt, und die Urlaubszeit ist auf ihre Weise ja auch ganz inspirierend.