T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Mittwoch, März 25, 2009

Ich beziehe mich hier auf den letzten Blog. Die Grundfigur, die er darstellt, gilt für ihn selber: Sein Gedanke war vor seinem Ausdruck noch nicht fertig da: Der Ausdruck seines Gedankens war gleichzeitig auch eine Schöpfung des Gedankens.

Der Gedanke wirkt jetzt nach: Ich erinnere mich, wie ich immer wieder leise von der Vorstellung gequält wurde, dass die Beschreibungen meiner Gefühlslage immer etwas von Schummelei an sich haben. Nun, das Wort 'Beschreibung' ist hier ziemlich unglücklich gewählt, weil es die Forderung mit sich führt, eine objektive Sachlage möglichst exakt wiederzugeben. Besser ist, vom 'Ausdruck' einer Gefühlslage zu schreiben. Dann gilt, der Grundfigur entsprechend: Der Ausdruck einer Gefühlslage ist gleichzeitig auch eine Schöpfung der Gefühlslage. Und schon ist es, gelinde gesagt, fakultativ, von 'Schummelei' zu sprechen. Die Veränderung des Ausgedrückten durch seinen Ausdruck ist schlicht notwendig. Ein Wesen mit Selbstbewusstsein, das sich seiner auch als des Trägers von bestimmten Emotionen gewahr wird, muss, gerade wenn es echt sein will, sorgfältig darauf achten, wie es diese zum Ausdruck bringt, weil es in das so Ausgedrückte involviert ist; es ist ein Teil von ihm, zu dem es Stellung nehmen muss und mit dem es sich, wenn's irgendwie geht, ganz gerne identifiziert. Es geht hier ja auch darum, was für eine Person es ist.

Na ja, ein paar Alarmglocken dürfen hier schon schrillen. Aus meiner Darstellung sollte unmittelbar hervorgehen, wie korrumpierbar der Ausdruck von Emotionen ist. - Frau, hier eröffnet sich ein weites Feld: Da gibt es doch den Eindruck/Verdacht, dass einer eine Emotion so ausdrückt, wie er sich vorstellt, dass ein guter Mensch sie ausdrücken würde. Wie hübsch er da scheitern kann: Er kann beispielsweise verlogen oder lächerlich oder - harmlos - schlicht unbeholfen wirken. Es soll Kompositionen geben, wo man den Eindruck gewinnt, dass einer die Töne, Akkordtrauben und, wenn überhaupt vorhanden, rhythmischen Figuren so gesetzt hat, wie er sich vorstellt, dass sie von jedem Hörer zuverlässig als gefühlsstark gedacht wahrgenommen werden. Solche Erzeugnisse lassen sich dann etwa auch als Untermalungen in Filmen verwenden, auf dass dem letzten Zuschauer klar werde, dass sich der Held, der sich eh schon gebückt durch die Szene schleppt, im Zustande höchster Bedrückung befindet. So, und jetzt darfst du ein Schubertlied danebenstellen, wo nicht eine blosse Vorstellung von Trauer evoziert werden soll, sondern ein[!] Ausdruck von Trauer den ganzen Seelenraum ergreift und erweitert, im Hörer neue Möglichkeiten des Ausdrucks von Trauer eröffnet und so den an seine Schönheit um ihrer selbst willen sich Haltenden/Klammernden tröstet.


[Meine frühere Bemerkung, dass Palestrina den in Unruhe befindlichen Hohlraum Seele nicht bloss auszufüllen, sondern auch zu erweitern vermag. - Die moralische Infragestellung des (mir durchaus nicht fremden) Schwelgens in Sentimentalität und Kitsch. - ... - Ein weites Feld, fürwahr!]

[Und der Verdacht, dass Geschmacksfragen eine Rolle spielen. - "Taste matters", schreibt Scruton. Sein neustes Buch heisst 'Culture Counts'. Es enthält vielleicht das, worauf sein 'The Aesthetics of Music' letztlich hinausläft. Ein Umstand, der ihn, wie er schreibt, selber überrascht hat: "It came as a surprise that so dry a question as 'what is a sound?', should lead at last to a philosophy of modern culture." (ix) Dazu eine Entwarnung: Scruton versteht sich nicht als Theoretiker des kulturellen Niedergangs. Solche Theorien gebe es "two a penny"und seien keines Philosophierens würdig. Das soll nun aber nicht heissen, dass er den Niedergang der Kultur im öffentlichen Raum nicht für eine ausgemachte Sache hielte. Eine ausgemachte Sache, keine Sache irgendeiner höchst abgefeimten, nur in Hegelschen Termini beschreibbaren Verschwörung. Eine ausgemachte Sache: Wir können uns ja getrost an die noch nicht ausgemachten Sachen halten: Die beiden Verlängerungen der Überleitung vom ersten zum zweiten Thema im ersten Satz der 'Eroica' sind noch nicht ausgehört, die rhythmischen Schwierigkeiten in der Coda daselbst noch nicht gelöst, ... nunc, et semper, et in saecula saeculorum. Amen.]