T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Montag, November 17, 2008

Wir fuhren hoch via Husum, Bredstedt, Niebüll, Klanxbüll, Morsum, Keitum nach Westerland (Sylt). Zurück ging es dann von Weesterlön (Söl) via Kairem, Muasem, Klangsbel, Naibel, Bräist, Hüsem. Diese Alternativstrecke ist ein durch den Friesenrat angeregtes neues Angebot der Deutschen Bahn für Germanisten und ihre Angehörigen. (Sprecher des Höchstalemannischen erhalten eine Ermässigung.)

Tja, man hat halt so seine Orte; andere rasen um den Globus. (Der Plebejer, ganz angeregt durch die feine Gesellschaft in Lokalen, wo auch er äusserst freundlich und zuvorkommend bedient wird, drückt den gleichen Gedanken so aus: Die Biene fliegt nach ihren Blüten; die Fliege fliegt überall hin.)


Der Nachtzug nach Altona fuhr zu meiner Überraschung die alte Strecke, die sich zwischen Bingen und Köln dem Rhein entlang schlängelt. Sobald ich das realisiert hatte, war an Schlafen nicht mehr zu denken. Im traurigen November, wenn in trüber werdenden Tagen der Wind das Laub von den Bäumen reisst, nach Deutschland hinüber zu reisen, ist etwas, was mein Gemüt ohnehin schon stark erschüttert, und dann ausgerechnet diese Strecke! Einer, dem der Verfasser des Wintermärchens eh tagein, tagaus in den Ohren liegt, weiss dann tatsächlich nicht mehr, wie ihm geschieht, was es bedeuten soll. In solchen Momenten gerät er ins Schreiben:
 
"Die Kohlekraftwerke zwischen Koblenz und Köln bei Nacht: Riesige, ein gleissendes weisses Licht ausstrahlende, von hellen Nebeln umspielte Märchenpaläste spiegeln sich in des grossen, heiligen Stromes dunklen Wellen."  
 
Ganz nett, nicht? Doch dann donnert unser Zug um ca. 04.00 über die Hohenzollernbrücke, und der Meister übernimmt:
 
Im Rhein, im heiligen Strome,
Da spiegelt sich in den Well'n,
Mit seinem großen Dome,
Das große, heilige Köln.


Zum Wesentlichen: Das Wetter: Regen und stürmischer Wind, dazwischen eine grandiose Sonne. Recht angenehme Temperaturen.


Ja, es war aufregend, zusammen mit Susanne und Ernst Tugendhat im Sand zu stapfen. Auch ein paar Piepers haben sich dazugesellt: "Mit rasend schnellen, winzigen Trippelschrittchen surrt ein einzelner Strandläufer den schaumigen Meeressaum ab." (Bei Sturmwind ins Handy getippt. Max Frisch, dem es im Juli 1949 in Kampen auch gefallen hat, holt weiter aus:)

"... Auf dem Kliff [das 'Rote Kliff', AC] bläst ein Wind wie im Gebirge; man muss sich, um atmen zu können, auf die andere Seite drehen. Die Strandkörbe sind leer. Eine Brandung, wie ich sie noch nie gesehen habe. Ich habe die Schuhe ausgezogen, denn immer wieder kommt eine überraschende Zunge, schäumig wie Seifenwasser, dann sinken die Füsse in den rieselnden Sand, am Rand der wässernen Zungen schwabbert der Schaum, Gischt der grossen Brecher, er schwabbert eine Weile lang, bis der Wind ihn zerflockt; trocken wie Watte fliegt es davon ..."


Natürlich war auch ein Abstecher nach Hüsem (Husum) dabei: "Und wie lebendig die Stare waren, diese geflügelten Freunde der Rinder! In lärmendem Zuge kamen sie vom Kooge herauf, schwenkten vor mir hin und wieder und fielen dann in dichtem Schwarm auf die Kronen der Deiche nieder, um gleich darauf, hurtig um sich pickend, seewärts an der Böschung hinabzuspazieren." (Storm: Eine Halligfahrt)


Es war ein schöner Urlaub.