T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

Mein Foto
Name:

Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Montag, Februar 19, 2007

[Ca. 15 Jahre ist es hier. Ich nehme an einem privaten Seminar über 'Interkulturelle Konflikte' teil. Wir schauen uns einen Film an. Titel: 'Warum habe ich meine Tochter getötet?' In der anschliessenden Diskussion erkläre ich, warum ich den Titel, der eine Lesart à la "Wie konnte ich nur!?' nahelegt, für verfehlt halte, und sage dabei in etwa: "'Warum ich meine Tochter töten musste' müsste der Titel heissen. Da stellt dieser weinselige Mörder seiner Tochter sich hin und präsentiert mir die Gründe für seine Tat." - Die Empörung war gross: "Wie kannst du dir anmassen, unsere Wertvorstellungen an diesen Mann anzulegen!?" Das war Urs oder die Stimme der Toleranz und des Gesprächs und des Dialogs. "Wovon soll der Alban denn sonst ausgehen?" Danke Iris! Ja, das war Iris oder eine Variante von Richard Rorty. Eine freundliche Stimme. Aber noch nicht der philosophischen Weisheit letzter Schluss:]

'Unsere Werte'


"Frauen haben das Recht, einen Beruf ihrer Wahl zu ergreifen und/oder ein eigenes Geschäft zu gründen und zu führen. Sie dürfen sich ihre Freunde selber aussuchen. Sie dürfen das Haus verlassen, wann immer sie wollen, mit oder ohne Begleitung. Sie dürfen heiraten, wen sie wollen und wann sie wollen. Sie dürfen - auch in Anwesenheit von Männern - von sich aus das Wort ergreifen. Sie dürfen beim Sex Lust empfinden."

Ich habe ein etwas ungutes Gefühl, Sätze wie diese zu äussern. Ich empfinde sie als leicht unanständig. Es schaut so aus, als ob ich sie durch ihre blosse Formulierung zur Diskussion und damit infragestellen würde. Und genau das will ich ja gerade nicht. - Der folgende Satz ist unanständig:

"Ich persönlich finde es in höchstem Masse fragwürdig (oder: In unserer Kultur ist es in höchstem Masse fragwürdig), ein blutjunges Mädchen mit einem älteren Mann zwangszuverheiraten."

Ist es nicht! Es steht nämlich schlicht ausser Frage.

Vielleicht vermag die Wohlanständigkeit dieses Satzes einen Moment lang über seine Absurdität hinwegzutäuschen: "Mit obigen Sätzen bringen wir unsere Wertvostellungen zum Ausdruck. Andere Kulturen haben andere Werte, und es gehört mit zu unseren Werten, dass wir diese Wertvorstellungen respektieren."

Wie soll so was gehen? "Mir wird beim blossen Gedanken an die Zwangsverheiratung übel, aber ich respektiere sie."


Man sollte mit der Verwendung des Ausdrucks 'unsere Werte' etwas sparsamer sein. Er passt nicht immer. Er relativiert an Orten, wo wir zu keiner Relativierung bereit sind. Er ist zu bemüht, hyperkorrekt bis zur Absurdität, heuchlerisch, frömmelnd. Und er verkennt den natürlichen Universalitätsanspruch von Werten. 'Natürlich'? Natürlich! Eine Frau ist ein Menschenwesen.

(Aus dem Gespräch mit dem verzweifelten Mann, der seine Tochter töten musste:) "Schauen Sie, eine Frau ist wie eine Ziege, ...". Ein Appell an die Vernunft dieses Mannes: "Das glaubst du ja selber nicht!" Ein Appell, der ihn als Vernunftwesen respektiert und sich nicht bemüht, seiner offenkundigen Verirrung zu schmeicheln.


[Jan: "Menschenskind, bist du aber empfindlich! Ist dir das Ding von damals denn dermassen stark eingefahren?" "Ist es. Und ich kann es tatsächlich kaum ertragen, dass diese Karikatur einer Werthaltung noch immer nicht als ein Set von ausgeleierten Phrasen kompostiert ist."]