T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Samstag, Juli 22, 2006

Beginning with ordinary things


[Das Folgende ist ein Beitrag zum Thema 'Miteinander verschiedener Religionen' aus meinem Türkeiforum. 'mave' ist der Nickname des Mitglieds, das die Debatte angestossen hat mit der Bitte, doch zu versuchen, mal auch bei einem solch 'heissen' Thema, bei dem es immer wieder zu abscheulichen Gehässigkeiten kommt, einen Plauderton aufzulegen. Ich habe mir die Gelegenheit nicht nehmen lassen, bei dieser Gelegenheit zu versuchen, von den ganz grossen Themen (Pille, Kopftuch, etc.) wegzukommen und den Anfang mit etwas Leichterem zu machen.]

Hallo zusammen
 
Ich bin römisch-katholisch. Ich verbrachte die Jahre zwischen 12 und 20 in einer katholischen Internatsschule. Das färbt ab. Meine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche hat herzlich wenig mit so etwas wie blossen Meinungen zu tun. Es steckt mir einfach in den Knochen. Und ich wäre wohl ein ziemlich unglücklicher Mensch, wenn ich es mit meinen 54 Jährchen noch nicht geschafft hätte, JA dazu zu sagen.
 
Ich bin mir meiner Sache in einem gewissen Sinn also sehr sicher. Es belustigt mich ungemein, wenn gelegentlich auf meine Kirche und ihr Oberhaupt geschimpft wird. Vieles von dem, was da vorgebracht wird, ist ja völlig richtig. Es geht mir nur nicht an die Nieren, oder die Ehre, von den Knochen ganz zu schweigen. Meine Belustigung ist eine friedliche. Ich freue mich einfach (und wundere mich auch ein bisschen) darüber, dass keine Argumentation der Welt meine Sicherheit zu gefährden vermag. Der Katholizismus ist die Religion meiner Eltern und vieler geliebter Verwandter. Da soll mal einer mit einem Argument dagegen ankommen!
 
Das Wichtigste ist in meinen Augen die Liebe zu Gott. Sie ist eine grosse Quelle des Glücks. Und diese Liebe ist natürlich nicht römisch-katholisch. Ihre Ausdrucksformen (Gebete und Rituale) mögen katholisch sein, sie selber sicher nicht. Ich finde nun, dass diese Liebe ein verdammt guter Ausgangspunkt - und Endpunkt - für ein Gespräch zwischen Angehörigen verschiedener Religionen ist. (Ehrlicherweise kann ich mich hier nur auf Christen, Juden und Muslime beziehen. Andere Erfahrungen habe ich einfach nicht.) Zugespitzt gesagt: Man kann über das Kopftuch und dergleichen reden, oder man kann von Gott bzw. seiner Liebe zu ihm sprechen. Im ersten Fall kriegt man eine mehr oder weniger heisse Debatte, im zweiten Fall möglicherweise bedeutend mehr als eine blosse Debatte.
 
Einer meiner Arbeitskollegen heisst Ahmet. Er ist ein Muslim aus Marokko und gilt als 'streng gläubig'. (Ich weiss nicht, ob das stimmt, ja ich weiss nicht einmal, was das genau bedeutet, wo ich doch nicht mal weiss, ob ich selber 'streng gläubig' bin. Zum Glück muss ich das ja nicht wissen, es geht ganz gut ohne.) - Der Zufall wollte es, dass wir zwei bei einer monotonen handwerklichen Arbeit zusammentrafen. Der eine von uns fasste sich ein Herz und fragte den andern nach seiner Religion. (Sowas geht bei dieser Art von gemeinsamer Tätigkeit ganz erstaunlich leicht.) "Muslim." "Römisch- katholisch." Dann das Abklappern der üblichen Wörter: 'Toleranz', 'Friede-Freude-Eierkuchen', 'Verständigung' und dergleichen. Dann trauen wir uns allmählich an die heissen Dinge ran: 'Kopftuch', 'Pille' und dergleichen. Irgendwo droht eine Debatte anzulaufen. Dann fasst sich einer wieder ein Herz und fragt den andern: "Ehrlich gesagt interessiert mich mehr als alles andere die Frage, ob du Gott liebst." "Oh ja!" Dann zufriedenes Schnurren beiderseits, und das Gespräch wird leicht: Heikle Fragen werden möglich, weil ein gemeinsames Fundament da ist. Misstrauen schwindet, weil von Liebe die Rede war.
 
Von 'Toleranz' und ähnlichen schweren Dingen ist nicht mehr die Rede. Ich kann ganz ohne Bemühung und ohne dass es peinlich wird davon erzählen, warum ich gerne in der Süleymaniye-Moschee bin. Oder vom Gefühl der Verbundenheit mit den frommen Leuten in Zentralanatolien. Wir können einander von Dingen erzählen, die uns am Herzen liegen und wie sie mit der Liebe zu Gott zu tun haben. Und dann natürlich auch über Fussball, seine Kinder, sein Ursprungsland, lauter geschöpfliche Dinge eben. Geschöpf trifft Geschöpf und redet über geschöpfliche Dinge.
 
Es gibt nichts, was einen Menschen daran hindert, über Dinge, die ihm lieb sind, zu reden und zu erfahren, für welche Dinge das Herz des andern schlägt. Und natürlich braucht dabei vom Schöpfer nicht die Rede zu sein. Ein Satz wie 'Ich bin Heide und stolz darauf, ein Heide zu sein' ist ein perfekter Aufhänger für ein erfreuliches Gespräch. Und auch ein Satz wie 'Lass uns doch ein wenig über Gott plaudern!' ist perfekt.
 
Das 'plaudern' ist eine Referenz an die auch von mir hoch geschätze mave, die Initiantin dieses Themas, und mit dieser Referenz schliesse ich meinen Beitrag ab.

Philotustan