T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Donnerstag, November 17, 2005

Rubrik: Wissenschaftstheorie

Rückfällig

Wieder mal in Adornos "Metakritik" geblättert. Ein Teilsatz zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich bleibe hängen, tauche in den Kontext. Die Gedankenmaschine beginnt gemächlich zu schnurren. Sehr konzentriert und ruhig arbeitet sie die ersten langen, spannungsreichen Perioden ab. Wieder abspannend verweilt sie bei einer dazwischengestreuten prägnanten Sentenz, streunt davon, lässt sich wieder einfangen von der Kraft des artistisch gepflegten, von Leitmotiven durchwirkten Gedankennetzes. - Die Maschine beginnt sich langsam zu überhitzen. An ein Aufhören mag nicht gedacht werden. Kontrollverlust. Ermüdung. Schliesslich Überdruss. Etwas Maschinenwartung. Ernüchterung. Dann wird ein Blog geschrieben. - Ich lese laut. Jan hört manchmal mit. Die Rede ist von einem Denken, "das der Idee des Systems nicht sich beugt". "Das ist doch schon lange gegessen, wo doch heute eh alles möglich ist. Anything goes."

Anything goes


Seitdem an einem kühlen Novembermorgen des Jahres 1999 im Kindergarten von Winzigkreuth der kleine Michael seinem Kameraden Tim bündig nachwies, dass es so nicht geht, gilt der Satz in weiten Kreisen als wiederlegt. Ich wollte es genau wissen und fuhr in dieses Kreuth. Es stellte sich heraus, dass die Kindergärtnerin, Frau Anna Immenfroh, eine leidenschaftliche Fallibilistin und Bewunderin Paul Feyerabends ist, aus dessen "Against Method" der Satz stammt. Frau Immenfroh klärte mich auf, in praxi, im Kindergarten:

Diesmal nimmt klein Michael den Tom aufs Korn: "Das geht so nicht!" - "Wieso nicht?" - "So macht man es nicht. Und wenn man es nicht macht, wie man es machen muss, dann geht es gar nicht." Anna greift ein: "Michael, jetzt lass den Tom doch mal machen. Vielleicht geht es so auch!" - Und zu mir: "Schau, der Michael meint, es gebe einen bestimmten Weg [Zur Verdeutlichung kritzelt sie - ganz Kindergärtnerin - ein μεϑοδοσ auf einen herumliegenden Pappdeckel], dem man folgen müsse, um das Ziel zu erreichen. Alle andern Wege führen für ihn a priori [Anna, ich mag dich] nicht zum Ziel. Und genau hier schleudert der freundliche Paul sein "Anything goes" in die Szene: 'Lass dich nicht einschüchtern, Tom. Probier's einfach. Niemand kann von vornherein wissen, dass es nicht doch klappt.'"

Ich bedankte mich bei Anna mit einer Einladung zum Nachtessen, wo sie mir weitere Dinge von ihrem geliebten Paul erzählte: "Er war der konsequenteste Popperianer. Eine Theorie verführt dazu, nur nach einer bestimmten Art von Gegeninstanzen zu suchen. Darum ist es so wichtig, nach andersartigen Theorien, die neue mögliche Gegeninstanzen zu Tage fördern, Ausschau zu halten. Ein auf eine bestimmte Methode eingeschworener Fallibilist ist eine contradictio in adjecto [Ich war im Begriff, mich zu verlieben]. By the way: Die Leute, die Paul an seinem berühmtesten Satz aufhängen, haben natürlich keine Zeit, das Buch zu lesen. Aber ist es denn zu viel verlangt, dass man wenigstens mal einen kurzen Blick auf den Titel wirft? - Magst du den Feyerabend?" - Ich lenkte ab und um: "Für mich bist du die grösste Philosophin!" - Anna nahm mir diese Plumpheit nicht übel.

Against Method

Der Sänger, von dem eingangs die Rede war, bringt gern zur Sprache, was durch die Maschen der Methode schlüpft. "Dem methodischen Verfahren steht ... die Sache einzig noch als störender Inhalt gegenüber." Auf die totale Vereinnahmung dieser widerspenstigen Sache richte sich die ganze (Arbeits)Wut der Ursprungs - und/oder Identitätsphilosphien, die nicht aufhören könnten, die Brüche und Gräben, die ihr einebnendes Vorgehen immer wieder aufreisse, systematisch zu leugnen. - Wau! Ich bin ja ganz dialektisiert! Aber hören wir uns doch besser noch ein wenig ins Original rein:

Ihre [der Ursprungsphilosophien] Geschlossenheit ist selber der Bruch. Daher die fanatische Intoleranz der Methode, der totalen Willkür, gegen alle Willkür als Abweichung. Ihr Subjektivismus richtet das Gesetz von Objektivität auf. Die Herrschaft des Geistes glaubt nur als grenzenlose sich selber.

Dem Sicherheitsbedürfnis, das allen Philosophien, die auf einem Ersten, einem Ursprung, etwas unbezweifelbar Feststehendem und so Zeugs insistieren, hält unser Sänger entgegen:

Warum eigentlich sollte das spielerische Glück des Geistes vom Risiko des Irrtums gemindert werden?

4 Comments:

Anonymous Anonym said...

Passt!

November 18, 2005  
Anonymous Anonym said...

Passt nitt! Wo ist der Bezug zum Hauptwiderspruch?

November 18, 2005  
Anonymous Anonym said...

Pssssst!

November 18, 2005  
Blogger Philotustan said...

@ tsi dong, lala
Beim ersten Abschnitt an 'Finnegans Zerfall' gedacht. - "Passt!" - "Oh!"

November 19, 2005  

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