Rubrik: Tagespolitik
Die vorherrschenden Bilder, die uns zur Zeit aus Frankreich erreichen, sind die von Feuerwehrleuten, die gerade noch nicht vollständig ausgebrannte Fahrzeuge zu löschen versuchen. Diese werden gezählt, und die Zahlen der letzten Nacht mit denen der vorigen Nächte verglichen. Weil die Zahlen im Moment sinken, hofft man, dass die Fahrzeuge künftig gar nicht erst angezündet werden. Bis es aber so weit ist, werden wir wohl weiterhin Bilder von Feuerwehrleuten zu sehen bekommen, die Nacht für Nacht die Brennzeit von Fahrzeugen zu verkürzen sich abmühen. - Man verstehe den komplett ratlosen Verfasser dieser Zeilen nicht falsch: Das hat ganz und gar nichts Lächerliches an sich.
Der Aufschub
Die vorherrschenden Bilder, die uns zur Zeit aus Frankreich erreichen, sind die von Feuerwehrleuten, die gerade noch nicht vollständig ausgebrannte Fahrzeuge zu löschen versuchen. Diese werden gezählt, und die Zahlen der letzten Nacht mit denen der vorigen Nächte verglichen. Weil die Zahlen im Moment sinken, hofft man, dass die Fahrzeuge künftig gar nicht erst angezündet werden. Bis es aber so weit ist, werden wir wohl weiterhin Bilder von Feuerwehrleuten zu sehen bekommen, die Nacht für Nacht die Brennzeit von Fahrzeugen zu verkürzen sich abmühen. - Man verstehe den komplett ratlosen Verfasser dieser Zeilen nicht falsch: Das hat ganz und gar nichts Lächerliches an sich.
Bei dem berühmten Ausbruch des Helgafell, eines Vulkans
auf der Insel Heimaey, live übertragen von einem Dutzend
hustender Fernsehteams, sah ich, unter dem Schwefelregen,
einen älteren Mann in Hosenträgern, der, achselzuckend
und ohne sich weiter zu kümmern um Sturmwind, Hitze,
Kameraleute, Asche, Zuschauer (unter ihnen auch ich
vor dem bläulichen Bildschirm auf meinem Teppich),
mit einem Gartenschlauch, dünn aber deutlich sichtbar,
gegen die Lava vorging, bis endlich Nachbarn, Soldaten,
Schulkinder, ja sogar Feuerwehrleute mit Schläuchen,
immer mehr Schläuchen, gegen die heiße, unaufhaltsam
vorrückende Lava eine Mauer aus naß erstarrter
kalter Lava höher und höher türmten, und so
zwar aschgrau und nicht für immer, doch einstweilen,
den Untergang des Abendlandes aufschoben, dergestalt,
daß, falls sie nicht gestorben sind, auf Heimaey,
einer Insel unweit von Island, heute noch diese Leute
in ihren kleinen bunten Holzhäusern morgens erwachen
und nachmittags, unbeachtet von Kameras, den Salat
in ihren Gärten, lavagedüngt und riesenköpfig,
sprengen, vorläufig nur, natürlich, doch ohne Panik.
[H. M. Enzensberger]
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