T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Mittwoch, März 24, 2010

Mein Herr und mein Gott,
Nimm alles von mir,
Was mich hindert zu dir.

Mein Herr und mein Gott,
Gib alles mir,
Was mich fördert zu dir.

Mein Herr und mein Gott,
Nimm mich mir
Und gib mich ganz zu eigen dir.


Das Lieblingsgebet meines Vaters. Er hat es mir vorgesprochen, als ich ihn vor einigen Wochen im Altersheim besuchte. Ich habe es dann nachgesprochen. Und dann: "'Nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir'. Das ist der Tod, gell, Papa?" - "Ja(!)" Und dazu eine sanft gleitende Armbewegung, die Hände ausgestreckt, auf der Höhe der Brust beginnend, zum Bettende hin: "Verströmen." Mir fallen dann noch ein paar andere mystische Ausdrücke ein, die ich laut vor mich hinspreche. Dann nochmals das Gebet. Ich bin ergriffen. Mein Vater ist stinkzufrieden.

Das habe ich von einer der vielen liebenswürdigen jüngeren Frauen erfahren, die mir in den letzten Tagen bei der Wache am Bett meines sterbenden Vaters Gesellschaft geleistet haben. (Was für Weibervolk der alte Charmeur sich in den letzten Jahren angelacht hat! Von einigen wusste ich ja schon, aber das Leben ist halt doch voller Überraschungen.) Ja, der ehemalige Briefträger eines Bergdorfes muss sehr stolz darauf gewesen sein, seinem studierten Philosophen noch etwas Wesentliches mitgegeben zu haben. Nun, ich bin natürlich auch imstande gewesen, meinem Vater zu zeigen, wie viel mir seine Worte bedeutet haben. Du darfst jetzt raten, von wem ich diese Fähigkeit wohl habe.

Als ich meinen Vater an jenem Tag im Altersheim verliess, rief er mich noch einmal zurück: "Du hast doch nicht etwa das Weihwasser vergessen?!" Finger rein ins Kesselchen, und ein Kreuz wird geschlagen. Ob ich mir da alt vorgekommen bin? Na, ich sag mal 11. Schmunzeln und Ergriffenheit begleiteten mich auf dieser kleinen Zeitreise.


Das Sterben zieht sich hin. Ich habe aufgehört, auf die letzten Atemzüge zu warten. Aber ich bete schon: Mein Herr und mein Gott, nimm ihn ihm und gib ihn ganz zu eigen dir!