T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Samstag, Dezember 27, 2008

[Killing Time:]


"Wenn ich dich recht verstehe, hältst du es für falsch, dass man seine Versprechen bricht. Begründe deine Meinung!" - Ich glaube ja nicht, dass irgendjemand jemals so was Bescheuertes von sich geben könnte. Aber wir können uns ja trotzdem mal ein paar gute Antworten dazu ausdenken. Ich fange mal an: "Wie meinst du das, 'begründen'?" Und abwarten! (Man braucht sich ja nicht durch ausgeklügelte Antworten und Gegenfragen selber zu schikanieren. Die Beweislast liegt eh beim andern, wenn wir einfach unerschütterlich den moralischen Standpunkt einnehmen.) Eine andere Antwort: "Schau, wir sind da eh einer Meinung, lass uns von was anderm reden!" Wer wird denn gleich zur Keule greifen: "Ich bin mir nicht sicher, ob du der richtige Umgang für mich bist." Nein, es ist bestimmt überflüssig, hier gleich das Sanktionssystem vorzuführen. - Ich höre auf, das ist bloss langweilig. Solche Fragen entbehren jeglicher 'unverstellter Vertrautheit mit den menschlichen Angelegenheiten'. Man mag sich mit ihnen unter dem Titel 'Ethik' beschäftigen, sollte dann aber besser nicht anfügen, sie seien "für das Miteinanderleben von Menschen fundamental" und dergleichen. Ich will nicht ausschliessen, dass es für das Zusammenleben von Menschen fundamental ist, solche Fragen nicht zu stellen. ("Pfui!" - Da ist mir doch schon wieder eine Antwort unterlaufen!)

Nun, es schadet jedenfalls nicht, wenn man sich nicht gleich von jeder beliebigen akademischen Frage ins Bockshorn jagen lässt. Und ja, es gibt Fälle, wo die Sache nicht so einfach ist:

Es gab mal eine Zeit, wo meine Marianne und ich ganz schön in Rage gerieten, wenn wir beim zigten Familienfest zum zigtenmal gefragt wurden, ob wir nicht doch heiraten und Kinder und überhaupt ... die Verantwortung! ... es sei doch üblich ... wie wir dazu stünden. Auch langweilig, wie ich gerade merke. [Interessant ist allenfalls die Frage, wie solche Fragen in der Langeweile versinken können. Und es gibt ja, wenn ich so zurückblicke, Unmengen davon.]

Ich versuche es mal mit was Hochbrisantem: "Was sagst du einer Person, die die Verstümmelung der Genitalien von Mädchen befürwortet?" - (Huch! Jetzt bin ich aber platt.) - "Gar nichts." (Platt realistisch: Ich werde eh kaum die Gelegenheit haben, je etwas zu sagen.) Und abwarten. Und später vielleicht: "Ich werde jedenfalls meine Abscheu nicht verhehlen." - So. Den Abstecher in den Kulturrelativismus schenke ich mir an dieser Stelle; der hat gegen die Abscheu eh keine Chance.

[Definition des real existierenden Kulturrelativismus: Der KR ist das Verbot, seiner moralischen Empörung gegenüber unerträglichen Praktiken Ausdruck zu geben. Dieses Verbot ist absolut verbindlich. Begründet wird es mit dem Hinweis auf die bloss relative Verbindlichkeit jeder Werthaltung. - Tja, wenn's nicht zum Lachen wäre, wär's zum Kotzen!]


Liebes Tagebuch

Es tut mir ganz gut, ein bisschen in Fragen der Moral herumzuwühlen. Es gibt da viel zu lachen. Ich staune, was für ein rigoroses Kerlchen ich bin. Hätte ich mir nicht zugetraut. Ich sehe, wie viele Dinge für mich komplett selbstverständlich sind, wo ich doch erst dachte, ich könnte im Sumpf meiner eigenen Beliebigkeit versinken. Aber bei den Begründungsfragen bekunde ich schon grosse Mühe. Das schadet zum Glück nichts. Ich meine praktisch. Aber deswegen zu behaupten, die Begründungsfragen seien belanglos, ist bestimmt übertrieben. Genau so übertrieben wie die Behauptung, wir seien moralisch desorientiert, weil wir nach dem Verlust von diesem und jenem in der Moderne und so nicht angeben könnten, wie wir unsere besten Überzeugungen begründen könnten. Jetzt will ich es mal mit Schlafen versuchen. Die Zeit soll auch so verstreichen.