T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Freitag, November 12, 2010

Bier, Wein, Schnaps und - BÄÄHH! - eine Sonderwurst


Zu einer guten Erziehung gehört auch, dass Buben explizit auf grundlegende Regeln des Zusammenlebens hingewiesen werden. "Da schau", sagt beim gemeinsamen Gang durchs Dorf der Vater zu seinem Erstgeborenen und zeigt dabei in ein Kellerloch, "du musst wissen, dass hier unser Schnaps gebrannt wird. Und du musst auch wissen, dass niemand das weiss. Auch ich nicht. Und du sowieso nicht. Und so muss das sein. Hast du mich verstanden?"

Hat der Bub es verstanden? Nun, es gibt ja neben der Unterweisung auch noch die 'Erfahrung', dieses Ding, auf das die Erwachsenen mit stolzem Nachdruck hinweisen und das auch einem geweckten Buben nicht erspart bleiben kann. Seine Mutter hat gefunden, es sei an der Zeit, nach dem Vater zu sehen, und weil dieser bei dem vielen Mannenvolk am Stammtisch noch nicht dazu gekommen ist, seine Runde auszugeben, verzögert sich die Heimführung nicht unbeträchtlich, und so sitzt der Bub geduldig da und schlürft, ergeben lauschend, an seinem obligatorischen Himmbeersirup. Es gibt viel zu lauschen und zu verstehen: Der Albert hat eine neue Quelle entdeckt. Aber er spricht viel zu laut davon, und seine Kumpanen halten ihn dazu an, leiser zu sprechen. D's Pfamatti, der Dorfpolizist, der beflissen unwissend am Nebentisch sitzt, verliert die Geduld und bedeutet unserem Albi, er werde gleich vergessen, was sich gehöre, und sich beim nächsten lauten Wort dazu entschliesen zu hören, was seine Lauscher zu hören zwar verpflichtet, aber nicht geneigt seien. "D's Pfamatti isch scho rächt", wird dem Bub am Tisch bedeutet. Einer der Sätze, der dem Bub bei der Einordnung des Gehörten und Erlebten in das aus dem Nebel des praktischen Unwissens sich herausbildende System des von allen geteilten zivilen Ungehorsams helfen soll.

Na ja, das ist ein Stück stinknormale Sozialisation in einem Walliser Bergdorf zu Beginn der 60er Jahre. Aber darüber wollte ich eigentlich gar nicht schreiben. Schön blöd, denn der Blog ist schon fast zu Ende. Darum nur noch kurz:

Den solchermassen Sozialisierten erbittert, dass ein Verbrecher seine Schandtaten als Fortsetzung einer langen Tradition der Rebellion und des zivilen Ungehorsams darstellt. Maurice Rappaz fügt sich in kein System der Unmoral ein; der will bloss eine riesengrosse Sonderwurst. Soll er seinen Stuss doch einem 'Ausserschweizer' erzählen! Oder - aussichtsreicher - der Partei der von mir sehr geschätzten, für seinen Fall zuständigen Staatsrätin. Möge diese sich von den Roten nicht die Hölle heiss machen lassen!]