T(r)iefsinn - Unsinn - Leichtsinn

Hier waltet, streunt, brütet, tanzt ... der Sinn. Hier treibt er sein Allotria. Hier wird ihm der Garaus gemacht. Die Szenerie, in die du geraten bist, bezieht ihr Licht aus einem Bereich, wo die grossen Geheimnisse des Lebens vor sich hinkichern.

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Lizentiat in Philosophie und Germanistik. - Beruf: Gymnasiallehrer. - Jetzige Tätigkeit: Teilzeitjobs und philosophische Beratung.

Mittwoch, März 22, 2006

Wider den Rassismus!


Die Gefahr lauert überall. Niemand ist gegen sie gefeit. Drum lasst uns zuerst ein Gebet sprechen:

Wir sind für das Gespräch und den Dialog. Wir bemühen uns um Verständigung. Wir sind offen, tolerant und vorurteilsfrei. Wir sind gegen Ungerechtigkeit und Ausgrenzung. Und überhaupt. Und Amen.

Anlässlich des internationalen Tages gegen Rassismus am 21. März berichtet der Uno-Berichterstatter über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Doudou Diène, in einem Bericht an die Uno-Menschenrechtskommission von einigen Fällen von Rechtfertigung von Rassismus durch Angehörige der intellektuellen Eliten. Ich greife hier ein besonders krasses Beispiel heraus, das der Sekretärin der Académie française, Hélène Carrière d'Encausse. Sie soll als Hauptgrund für die Gewalt der Jugendlichen bei den Unruhen in den französischen Vorstädten die Polygamie genannt haben.

["Nein, mein lieber Jan. Wenn du dir etwas auf der Zunge zergehen lassen willst, dann geh an den Kühlschrank. Das hier ist verdammt ernst."]

Ich bin natürlich schockiert und total betroffen. Die Polygamie, das ist eine andere Kultur. Dass ich nie verheiratet war, heisst noch lange nicht, dass ich dem andern verbieten darf, sich ab und zu eine Jüngere zu besorgen. Es gibt hier viele Vorurteile, an denen man arbeiten muss. Vor Jahren las ich in der 'International Herald Tribune' eine Reportage über die Polygamie in Frankreich. Da wurde unter anderem ein Afrikaner vorgestellt, der ca. vierzig Kinder von verschiedenen Ehefrauen hat. Nicht eine einzige von den Alten hat er auf die Strasse gestellt. Die dürfen in seiner Wohnung zusammen ein eigenes Zimmer teilen. Die Junge wohnt dann extra. Aber das ist ja auch normal. Und von dem Kindergeld kann er sich ja keinen Palast leisten. Ja, wenn man denkt, was da nur schon für die Brautschau in Afrika draufgeht. Das muss man vorurteilsfrei und offen anschauen.

Es gibt sicher Leute, die nicht sehen, worin der Rassismus von Madame d'Encausse besteht. Aber das sind die besonders hartnäckigen Fälle. Die sollten vielleicht noch ein paarmal das Gebet sprechen. Mehr kann ich ihnen im Moment auch nicht sagen.

Die Sache ist ernst. Beten allein genügt nicht mehr. Ich will hier und heute, in diesem Blog und angesichts des Umstandes, dass die intellektuellen Eliten anfangen, den Rassismus zu rechtfertigen, meine persönliche Verantwortung wahrnehmen und ein klares Bekenntnis gegen die von mir eben geschilderte Form von Rassismus ablegen, indem ich festhalte:

Die Polygamie ist nicht der Hauptgrund für die Gewalt der Jugendlichen bei den Unruhen in den französischen Vorstädten!


[Gegen die Banalisierung des Rassismus. Uno-Berichterstatter kritisiert namhafte Intellektuelle. NZZ, 21.03.06]

1 Comments:

Blogger Philotustan said...

["Na ja, Rassismus hin, Rassismus her, die Hauptsache ist doch, man denkt und tut nichts Schlimmes." - "Moment, Jan, ich will eben einen Kommentar schreiben."]

Grosse Überraschung heute bei der Lektüre der NZZ. Da hat eine Umfrage doch ergeben, dass nur gerade 30% der Franzosen sich selber für rassistisch halten. Kaum zu glauben, wenn man bedenkt, wie schnell man heutzutage Rassist wird. - Was mich bei der Sache ein klein wenig wurmt: Warum sollten 70% der Franzosen bessere Menschen als ich sein? Tja, ich werde mich da wohl einmal mehr an Jan halten.

März 23, 2006  

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